Blitz-Briefing

Was bedeutet die "Vertrauensfrage" und die Auflösung des Bundestages

Fahrplan für den Deutschen Bundestag nachdem die Vertrauensfrage gestellt ist:

Der Bundeskanzler kündigt zwei Tage vorher an, dass er die Vertrauensfrage stellen wird. Aktuell soll der Termin der 16. Dezember sein.

Erwartungsgemäß wird die Mehrheit der Abgeordneten mit "nein" abstimmen.

Der Bundespräsident wird innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen

Neuwahlen werden anberaumt – aktuelles Datum: 23. Februar 2025

 

I. Auswirkungen der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers auf die Handlungsfähigkeit des Bundestages
Wir bleiben bei unserer Haltung: Der Bundeskanzler muss die Vertrauensfrage nun sofort stellen, damit die Wählerinnen und Wähler so schnell wie möglich über einen politischen Neuanfang für Deutschland entscheiden können.
Mit dem Ende der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Scholz angekündigt, im Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Das Verfahren dazu beschreibt Artikel 68 des Grundgesetzes (GG): Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Zwischen dem Antrag des Bundeskanzlers und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden liegen.
Das Grundgesetz setzt damit voraus, dass der Bundeskanzler bei Verlust seiner
parlamentarischen Mehrheit zügig die Vertrauensfrage stellt und den Bundestag hierüber abstimmen lässt. Löst der Bundespräsident den Bundestag auf, findet die Neuwahl nach Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 GG innerhalb von 60 Tagen statt.
Mit der Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten verliert das Parlament aber nicht seine Kompetenzen. Denn seine Wahlperiode endet nach Artikel 39 Absatz 1 Satz 2 GG erst mit dem Zusammentritt des (neu gewählten) Bundestages. Die „Auflösung“ bezeichnet also nicht das Ende der Wahlperiode, sondern lediglich die entsprechende Anordnung des Bundespräsidenten, Neuwahlen anzuberaumen. (Die vom Grundgesetz verwendete Bezeichnung ist missverständlich, erklärt sich aber dadurch, dass im Ursprungstext des Grundgesetzes die Wahlperiode bereits mit der Auflösung endete; die
heutige Regelung geht auf eine Verfassungsänderung von 1976 zurück.) Mit der seither geltenden Regelung beginnt durch die Auflösung also keine „parlamentslose Zeit“.
Bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages hat der alte Bundestag auch nach der „Auflösung“ weiterhin sämtliche parlamentarischen Befugnisse. Er kann insbesondere weiterhin bei Bedarf zusammentreten, Ausschusssitzungen abhalten, Anträge jedweder Art behandeln, Gesetze beschließen oder Untersuchungsausschüsse einsetzen.
Nach verlorener Vertrauensfrage gibt es nach Artikel 68 Absatz 3 GG zwar nur noch eine geschäftsführende Bundesregierung, wenn der Bundespräsident den Bundeskanzler und der Bundeskanzler die Bundesminister um Fortführung der Geschäfte ersucht. Nach der Staatspraxis trifft eine solche geschäftsführende Bundesregierung keine weitreichenden Entscheidungen mehr. Das Konzept eines „geschäftsführenden Bundestags“ hingegen kennt das Grundgesetz nicht. Der Bundestag bleibt bis zum Ende der Wahlperiode voll handlungsfähig.


II. Häufige Fragen zur Vertrauensfrage und zur Handlungsfähigkeit des Bundestages
Bundeskanzler Scholz hatte angekündigt, mit der Vertrauensfrage bis zum 15. Januar 2025 abwarten zu wollen, damit bis dahin noch – aus seiner Sicht – notwendige Gesetze beschlossen werden können. Ist dieses Zuwarten erforderlich, damit noch dringende Gesetze beschlossen
werden können?
Nein. Dringende Gesetze können im Deutschen Bundestag auch noch beschlossen werden, nachdem die Vertrauensfrage gestellt wurde oder der Bundestag aufgelöst wurde. Der Deutsche Bundestag bleibt auch nach der Vertrauensfrage und auch nach der Auflösung durch den Bundespräsidenten voll handlungsfähig und kann alle notwendigen Entscheidungen treffen. Ein Abwarten bei der Vertrauensfrage ist dafür nicht erforderlich.


Ist ein Abwarten bei der Vertrauensfrage erforderlich, um ein „geordnetes Verfahren“ im Hinblick auf die Auflösung des Bundestages und mögliche Neuwahlen sicherzustellen?
Nein. Das „geordnete Verfahren“ gibt ausschließlich das Grundgesetz vor. Zwischen dem Antrag des Bundeskanzlers auf Vertrauensabstimmung und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden liegen. Findet der Antrag des Bundeskanzlers nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Die Neuwahl des Bundestages findet dann gem.
Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 GG innerhalb von 60 Tagen statt. Dieses Verfahren ist sehr geordnet und genau im Grundgesetz beschrieben. Ein weiteres Zuwarten bei der Vertrauensfrage, wie von Olaf Scholz und der SPD insinuiert, ist nicht erforderlich.