Faktencheck zur

Wahlrechtsreform

I. Sachverhalt

Die Ampel-Fraktionen haben ihren Vorschlag für ein neues Bundestagswahlrecht gegen die Stimmen der Opposition – mit Ausnahme der AfD – im Deutschen Bundestag verabschiedet. Das Wahlrecht der Ampel sieht vor:

  • 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Dies sind 32 Mandate mehr als bisher geplant.
  • Die Grundmandatsklausel wird abgeschafft. Demnach erhält eine Partei nur noch dann Mandate im Bundestag, wenn sie nach dem Zweitstimmenergebnis bundesweit mehr als 5% der Stimmen erreicht. Die Zahl der direkt gewonnenen Wahlkreise spielt dabei keine Rolle mehr.
  • Darüber hinaus soll die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 10 Prozent (statt bisher 15) nach oben oder unten abweichen. Beträgt die Abweichung mehr als 15 Prozent (statt wie bisher 25 Prozent), ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Fast alle Wahlkreise müssen deshalb neu zugeschnitten werden. Diese Änderung soll für die übernächste Wahlperiode wirksam werden.

Darüber hinaus führt die Ampel eine Kappung von gewonnenen Direktmandaten ein. Gewonnene Wahlkreise führen zukünftig nicht mehr automatisch zu einem Sitz im Deutschen Bundestag, sondern werden nach dem Zweitstimmenergebnis „zugeteilt“. Konkret heißt das: Wenn in einem Bundesland die Zahl der gewonnenen Direktmandate die einer Partei nach dem Zweitstimmenergebnis zustehenden Sitze im Bundestag übersteigt, werden diese gestrichen bzw. „gekappt“. In den Bundestag ziehen also nur jene Direktkandidaten ein, die im Verhältnis zu den anderen Direktkandidaten die besten Erststimmenergebnis errungen haben. Damit werden nicht mehr alle Wahlkreise mit einem direktgewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten sein.

 

II. Unsere Position

Die Regierungskoalition hat sich ein Wahlrecht zu ihrem Vorteil geschnitzt. Es ist ein Wahlrecht gegen das Prinzip des direktgewählten Abgeordneten. Es ist ein Wahlrecht gegen die Opposition.

Die Erhöhung des Gesamtumfangs des Bundestages auf 630 Abgeordnete ist kein Schritt auf die Opposition zu, sondern dient offenbar nur dem Mandatserhalt für einige Abgeordnete der SPD. Abgeordnete der Union bleiben von der „Kappung“ der Direktmandate weiterhin überproportional betroffen. Durch die überproportionale Ausweitung der – von den Parteien zu bestimmenden – Listenmandate schafft die Regierungskoalition ein Funktionärswahlrecht, das die Verwurzelung der Kandidaten im Wahlkreis und den Rückhalt der lokalen Bevölkerung massiv entwertet.

Mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel fährt die Regierungskoalition einen Angriff nicht nur gegen die CSU, sondern gegen CDU und CSU und das Prinzip des Wahlkreisabgeordneten insgesamt. Zukünftig soll es keine Rolle mehr spielen, ob eine Partei einen, fünf oder 45 Wahlkreise direkt gewinnt – es wird kein einziger Abgeordneter in den Bundestag einziehen, wenn die Partei nicht bundesweit mehr als 5% der Zweitstimmen erreicht. Es liegt auf der Hand, dass dies eine groteske Verzerrung das Wählerwillens darstellt und vor dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes keinen Bestand haben kann.

III. Sprachempfehlung

Kandidatinnen und Kandidaten, die einen Wahlkreis mit den meisten Stimmen gewinnen, müssen auch in den Deutschen Bundestag einziehen. Dieses Prinzip hat die Ampel-Koalition nun abgeschafft. Unser Vorschlag für ein neues Wahlrecht hätte die Größe des Bundestags auf 598 Abgeordnete reduziert und zugleich sichergestellt, dass gewählte Kandidaten im Wahlkreis auch künftig in jedem Fall in den Deutschen Bundestag einziehen.

Insbesondere Wahlkreise in den Großstädten und in Ostdeutschland werden durch das Ampel-Wahlrecht künftig deutlich weniger im Deutschen Bundestag vertreten sein. Mit der gestrigen Entscheidung im Deutschen Bundestag ist klargeworden: Die Ampel-Koalition hat ein Wahlrecht zu ihrem Vorteil und gegen das Prinzip des Wahlkreisabgeordneten beschlossen.

 

Faktencheck zu Behauptungen von Ampel-Vertretern

Behauptung 1: Alle Fraktionen tragen gleichermaßen zur Verkleinerung des Bundestages bei.

Fakt: Das Ampel-Wahlrecht nutzt vor allem den Ampel-Parteien und schadet der Opposition. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel richtet sich gezielt gegen Die Linke, die derzeit von der Grundmandatsklausel profitiert und nach dem Ampel-Wahlrecht voraussichtlich künftig nicht mehr im Bundestag vertreten sein wird. Die „Kappung“ von Wahlkreisen richtet sich zum einen gegen die Wähler, deren direkt gewählte Abgeordnete nun nicht mehr im Bundestag vertreten sind, und zum anderen gegen diejenigen Parteien, die besonders viele Direktmandate erringen – das sind CDU und CSU.

Behauptung 2: Mit der Erhöhung auf 630 Abgeordnete ist die Ampel auf CDU und CSU zugegangen.

Fakt: Die Ampel hat die Erhöhung auf 630 Abgeordnete aus Eigeninteresse vollzogen. Sie will damit Parlamentssitze für ihre eigenen Fraktionen sichern. Gleichzeitig hat die „Kappung“ von Direktmandaten einen klaren Adressaten: CDU und CSU. Legt man aktuelle Umfragewerte zugrunde, werden 18 Direktmandate von der CDU gekappt, 6 von der CSU, 2 von der SPD und 2 von der AfD.

Behauptung 3: Das Wahlgesetz der Ampel entspricht dem bayerischen Landeswahlgesetz.

Fakt: Das Ampel-Wahlrecht und das bayerische Landtagswahlrecht sind grundverschieden. Bei der bayerischen Landtagswahl werden Erst- und Zweistimme zusammengezählt. Aus der Zusammenrechnung ergibt sich die Sitzverteilung für den Landtag. Damit beeinflusst der Direktkandidat erheblich mit seinen persönlichen Stimmen den Gesamterfolg seiner Liste – anders als bei der Bundestagswahl, bei der die Stimmenzahl der Erststimme keinen Einfluss auf die Listenstimmen hat. Erst- und Zweistimme können somit in Bayern nicht separat betrachtet werden. Im Bund dagegen ist die Zweistimme entscheidend für die Sitzverteilung. Hinzu kommt: Das Wahlrecht der Ampel ist darauf ausgelegt, dass eine zweistellige Zahl an direktgewählten Abgeordneten nach jeder Bundestagswahl nicht in den Bundestag einzieht – bei der bayerischen Landtagswahl gab es das noch in keinem einzigen Fall.

Behauptung 4: CDU und CSU könnten in irgendeiner Form zusammengehen, um die Wirkung der 5%-Sperrklausel zu Lasten der CSU zu verhindern.

Fakt: Das ist falsch. CDU und CSU sind zwei eigenständige Parteien und „Listenvereinbarungen“ zur Überwindung der 5%-Sperrklausel sind zwischen verschiedenen Parteien nicht möglich. Das Bundeswahlgesetz verbietet das. Dieses Verbot einer Listenverbindung oder Listenvereinigung gilt auch weiterhin unter dem Ampel-Wahlrecht.