Interview in der SZ

Lenz: "Die Union darf jetzt nicht auf Fundamentalopposition schalten"

"Die Union darf jetzt nicht auf Fundamentalopposition schalten"

 

Für den Ebersberger Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU) hat die dritte Legislaturperiode im Bundestag begonnen - die erste für den 40-Jährigen in der Oppositionsrolle.

Interview von Thorsten Rienth, Ebersberg/Berlin

 

 

Seit 2013 vertritt Andreas Lenz den Wahlkreis Ebersberg-Erding in Berlin. Zweimal hat er die Wiederwahl geschafft, übrigens immer mit deutlich besserem Ergebnis, als seine CSU bei den Zweitstimmen bekam. Das war auch im vergangenen Herbst so, mit 42 Prozent betrug der Vorsprung des Kandidaten auf die Partei sogar gut zehn Punkte. Deren schlechtes Abschneiden hat nun dazu geführt, dass der Frauenneuhartinger keiner Regierungsfraktion mehr angehört, zum ersten Mal, seit er im Bundestag ist. Was das für die kommenden Jahre für seine politische Arbeit heißt, und wie bedeutend eigentlich die Sitzordnung im Parlament wirklich ist, darüber spricht er im Interview.

SZ: Herr Lenz, waren Sie eigentlich schon mal in Simbabwe?

Andreas Lenz: Nein, wieso? Der ehemalige Diktator Robert Mugabe fällt mir dazu ein. Mit dem will ich aber lieber nichts zu tun haben.

 

Die Flaggenfarben des Landes sind Grün, Rot, Gelb und Schwarz. Die ganz große Koalition also.

Doch leider eine ohne CDU/CSU?

Aber die Union regiert im Bundesrat mit. Dort hat sie genügend Stimmen, um die Ampel bei allen wichtigen Gesetzen in Kompromisse zu zwingen.

 

Das stimmt. Jemanden politisch zu etwas zu zwingen, darf in einer lebendigen Demokratie trotzdem nie zum Selbstzweck werden. Von uns als Union ist jetzt eine hohe Kunst gefordert: Einerseits müssen wir die Finger in die Wunden der Ampel legen. Andererseits muss das auf konstruktive Art und Weise passieren.

 

Wie haben Sie den Start in Ihre dritte Legislaturperiode im Bundestag erlebt?

In jedem Fall ganz anders, als bei den ersten beiden Malen. Bei denen standen die Koalitionsverhandlungen im Vordergrund. Jeder Abgeordnete ist damit beschäftigt, die Punkte einzubringen, die ihm wichtig sind. Es war schon ungewohnt, diesmal nicht dabei zu sein. Im Gegenzug hatte ich mehr Zeit, die Dinge um mich herum zu reflektieren. Und ich konnte mehr Zeit daheim im Wahlkreis verbringen.

 

Auch die politische Arbeit dürfte eine andere werden.

Ganz klar. Die Opposition ist für mich persönlich eine neue Rolle und für die Fraktion auch ungewohnt. Da muss man sich noch ein Stückweit erstmal finden. Franz Josef Strauß meinte ja mal: Zur Not stellen wir die Opposition selbst. Aber das wird er etwas anders gemeint haben. (lacht)

 

Als CSU-Abgeordneter hatten Sie acht Jahre lang einen kurzen Dienstweg zu den Bundesministern Ihrer Partei.

Die CSU stellt bekanntlich keine Bundesminister mehr. Es ist kein Geheimnis, dass man als CSU-Abgeordneter in einem CSU-geführten Ministerium wahrscheinlich unkomplizierter einen Termin bekommt als bei einem SPD-, Grünen- oder FDP-geführten Ministerium. Das ist andersherum nicht anders. Aus dem kurzen Dienstweg wird also ein längerer - durch die Mühlen der Parlamentsmaschinerie, wenn man so will. Gehen werde ich ihn natürlich trotzdem.

 

In Sachen Machtpolitik war die CSU gegenüber ihren Gegnern nie sonderlich zimperlich. Fürchten Sie eine Revanche aus den jetzigen Regierungsfraktionen?

Es war bei dem einen oder anderen vielleicht etwas Schadenfreude dabei, dass die Unionsfraktion jetzt neben der AfD sitzen muss …

 

...wo zuvor die FDP-Fraktion saß.

...die wiederum vorher, und zwar seit dem Jahr 1949, immer rechts von der CDU/CSU gesessen hatte. Die Sitzordnung hängt ja auch nicht eins zu eins mit der Frage der politischen Orientierung zusammen. Schließlich sitzen die Grünen dort rechts von der SPD. Aber klar: Es wurden - in diesem Fall: über den Ältestenrat - Ampel-Mehrheiten genutzt, um eine der Ampel genehme Sitzordnung durchzusetzen: Sich selbst in der Mitte, die anderen am Rand. Und das muss man schon diskutieren dürfen.

 

Keinerlei Groll?

Nicht die Sitzordnung bestimmt das Bild einer Fraktion. Sondern ihre Inhalte und ihr Auftreten. Deshalb kann ich verstehen, wenn Bürger und Bürgerinnen nach dieser Sitzordnungsdebatte die Frage stellen, ob es in Berlin eigentlich nicht Wichtigeres zu tun gäbe?

 

Lässt sich aus der Opposition heraus überhaupt ordentliche politische Arbeit machen?

Davon bin ich überzeugt. Politik mag ein stückweit Machtpolitik sein. Sie ist aber immer auch ein Wettstreit um die besten Ideen - fürs Land und für die Menschen. Eine gute Regierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auch die Vorschläge der Opposition anhört.

 

Inhaltlich wird aber gemeinhin eher wenig von den Oppositionsfraktionen übernommen.

Dass nicht jeder gute Oppositionsantrag angenommen wird - oder treffender: eigentlich so gut wie keiner - liegt in der Natur der Sache. Das ist manchmal schade. Ein politischer Vorschlag ist aber nicht per se schlecht, nur weil da Ampel draufsteht. Und er ist auch nicht immer erst dann gut, wenn Union draufsteht. Trotzdem gibt es schon auch manchmal Mehrheiten, die breiter sind als die Koalitionsmehrheit. Gerade bei vielen Corona-Beschlüssen oder Europaangelegenheiten war das zuletzt der Fall.

 

Wie leicht ist es überhaupt, eine Regierung zu kritisieren, mit deren größter Fraktion man jahrelang ganz gut zusammengearbeitet hat?

Eine große Koalition, wie wir sie hatten, ist natürlich immer auch ein großer Kompromiss. Und deshalb gibt es schon große Unterschiede - und auch Kritikpunkte untereinander. Zum Beispiel bei der inneren und äußeren Sicherheit, beim Menschen- und Familienbild oder auch in der Haushalts- und Finanzpolitik. Wichtig ist: Die Union darf jetzt nicht auf Fundamentalopposition schalten. Und man kann den Ball auch einfach mal zurückspielen.

 

Zum Beispiel?

Wenn die Union etwas an der aktuellen Regierung kritisiert, kontert die Ampel gerade ziemlich schnell: Liebe Union, ihr seid doch seit 2005 in der Regierung gesessen. Aber diese Logik muss auch für die SPD selbst gelten: Mit Ausnahme von vier Jahren Schwarz-Gelb sitzt sie bekanntlich selbst seit 1998 in den Bundesregierungen. Ehrlich gesagt, ich will mich gar nicht so sehr darauf einlassen. Es geht immer um die Zukunft. Für die müssen wir auch und gerade als Opposition die besten Konzepte entwickeln.