Hanau

Seehofer: „Höchste Bedrohung in unserem Land geht vom Rechtsextremismus aus“

Die Bundestagsabgeordneten haben sich in einer vereinbarten Debatte mit den Konsequenzen aus den rechtsterroristischen Morden von Hanau beschäftigt. Rechtsextremismus und Hass müssten entschieden bekämpft werden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) machte deutlich: „Für Relativierung oder gar Verharmlosung gibt es bei diesem ernsten Thema keinen Raum.“ Wenn es um die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehe, müsse man sich zuallererst ein Bild von der tatsächlichen Lage machen, ein ehrliches, ein ungeschminktes Bild. „Die furchtbare Gewalttat in Hanau war die dritte innerhalb von zehn Monaten“, so Seehofer. Die Spur führe zurück über den Amoklauf in München, der heute von den Sicherheitsbehörden zweifelsfrei als rechtsextremistisch motiviert eingestuft sei, bis zur Enttarnung des NSU. Es war die dritte Gewalttat in zehn Monaten, die unzweifelhaft rassistisch motiviert und islamfeindlich gewesen ist, sagte der Bundesinnenminister.

Zudem müsse man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass in den vergangenen Wochen zwölf mutmaßliche Rechtsextremisten verhaftet wurden, die ganz offenbar konkrete Planungen gegen Personen hatten, die bürgerkriegsähnliche Zustände in der Bundesrepublik Deutschland planten. Man habe in den vergangenen Wochen auch eine Wohnung mit Unmengen von Sprengstoff und Handgranaten ausgehoben, eine andere Wohnung mit vielen automatischen Waffen. „Wenn wir die Spur seit der Enttarnung des NSU bis heute und die Entwicklung in den letzten Monaten betrachten, dann muss ein Innenminister davon sprechen, dass die Bedrohungslage, die Gefährdungslage durch den Rechtsextremismus in unserem Land sehr hoch ist und durch nichts relativiert werden kann“, unterstrich Seehofer. Es gebe auch Linksextremismus. Es gebe Reichsbürger, die sehr waffenaffin seien, und es gebe nach wie vor eine hohe Gefährdungslage beim islamistischen Terror. „Aber die höchste Bedrohung in unserem Lande geht vom Rechtsextremismus aus“, sagte der Bundesinnenminister.

Umfassende Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus

Es beginne mit der Verrohung der Sprache, die sich auch in Bildern ausdrücke, zum Beispiel, wenn Menschen in einem Bundesligastadion im Fadenkreuz gezeigt würden oder wenn vom Erschießen reicher Leute gesprochen werde. Das alles ist die Saat, durch die die Gewalt bewusst und gewollt oder auch ungewollt entstehe. „Ich habe Halle und Hanau besucht und habe oft berichtet, dass zwei Sätze, die mir dort gesagt wurden, wie ein Stich ins Herz gewirkt haben, in einer Gedenkveranstaltung, in aller Stille der Ruf eines jungen Menschen: ‚Ihr könnt uns nicht schützen!‘“, sagte Seehofer. Andere hätten gefragt, ob es jetzt wieder nur Worte der Anteilnahme gebe oder ob diesen Worten auch politische Taten und Maßnahmen folgen würden?

Im Interesse der Opfer und der Angehörigen habe man eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus entwickelt, innerhalb von zwei Tagen, mit allen 16 Bundesländern. Den Worten seien Taten gefolgt. „Wir haben für eine massive personelle Verstärkung des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gesorgt. Vergleichbare Arbeitseinheiten hatten wir bisher nur bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors, aber nicht im Bereich Rechtsextremismus“, so Seehofer. Man werde im Deutschen Bundestag den Entwurf eines Anti-Hass-Gesetzes vorlegen. Dieser sei umfassend: Wenn jemand im Internet Drohungen ausstoße, Straftaten ankündige oder begehe, sei der Provider künftig nicht nur verpflichtet, diese Inhalte zu löschen, sondern auch, sie dem Bundeskriminalamt zu melden. Das Waffenrecht sei bereits verschärft worden, denn Waffen gehörten nicht in die Hände von Extremisten, zählte der Bundesinnenminister auf.

„Wir brauchen diesen starken Staat“

Wir haben zum ersten Mal einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Die Vereinigung Combat 18 sei verboten worden. Es sei eine Expertengruppe gegen Islamfeindlichkeit eingerichtet worden. Und man sei dabei, die Präventionsprogramme des Bundes zu überprüfen, um in der Zukunft noch effektiver und wirksamer sicherzustellen, dass Manches bereits im Vorfeld verhindert werden könne.

„Wir brauchen diesen starken Staat, denn man hört in der Bevölkerung oft die Fragen: Kann sich der Rechtsstaat eigentlich noch durchsetzen? Oder hat der Rechtsstaat genug Biss, um das, was hier an Gesetzen beschlossen wird, in der Praxis umzusetzen?“, sagte Horst Seehofer. „Dafür müssen wir jeden Tag arbeiten, für diesen starken Staat zur Unterstützung von mutigen Demokraten“, betonte der Innenminister.