Blog von Anreas Lenz, Mitglied des BundestagesDer Persönliche Blog von Andreas Lenz
25 / 01 / 2016 Wirtschaft

Das System VW..

Gerade der Ausschuss für Wirtschaft und Energie befasst sich häufig mit der Krise um die durch VW Manipulierten Abgaswerte, der in den USA aufgedeckt wurde und mittlerweile für den Wolfsburger Weltkonzern zu einer Überlebensfrage geworden ist.

Die Krise um die manipulierten Werte, vor allem bei den Ausstoß von Stickoxiden ist vielfältig. Ebenso ist es die Frage nach ‚Schuldigen‘, auch dadurch zeigt sich, dass sich der Konzern noch lange mit der Aufarbeitung des Skandals beschäftigen muss.

Viele sehen jetzt darin das Versäumnis des Konzerns frühzeitig in Technologien wie der E-Mobilität investiert zu haben. Es ist richtig, dass hier sämtliche Automobilkonzerne

Andere sehen darin einen Versuch der USA, den Weltmarktführer „in spe“ aus dem amerikanischen Markt zu drängen. So haben die amerikanischen Behörden gerade bei den Richtwerten für Dieselmotoren besonders hohe Maßstäbe angelegt. Just bei dem Motorentyp, den die amerikanischen Motorenhersteller hinsichtlich der Produktion und Entwicklung kaum beherrschen. Natürlich spielt Industriepolitik eine Rolle bei der nationalen Rechtsetzung. Geltendes Recht muss jedoch befolgt werden, also taugt dieser Punkt nur bedingt als Ausrede.

Es ist meiner Meinung auch das „System VW“ – genauer das System Winterkorn, das durch diesen Skandal zu Tage gebracht wird.

Gerade der VW-Konzern wird sehr hierarchisch geführt. Das hat Tradition. Man könnte auch meinen, das hat sich quasi aus den Porsche und Piech Familien heraus bewährt. Die andere Frage ist jedoch, ob die Art dieser Führung noch zeitgemäß ist. Das ist sie sicher nicht. Von außen betrachtet werden dabei folgende Punkte offensichtlich:

Streben nach Weltmarktführerschaft:

Dem Ziel der Weltmarktführerschaft wurde alles untergeordnet. VW wollte der größte Automobilhersteller der Welt werden. Es handelt sich dabei allerdings um ein rein quantitatives Ziel. Qualitative Ziele sind mindestens genauso wichtig. Der Größte muss nicht der Beste sein. Die Größe sagt ebensowenig über Zukunftsfähigkeit, die Fähigkeit Trends zu erspüren sowie der langfristigen Rentabilität aus. Dadurch, dass sich VW zu stark auf ein Ziel (Weltmarktführerschaft) konzentrierte gerieten die anderen Ziele in den Hintergrund.

Unternehmenskultur:

Um die Unternehmenskultur war es wohl im Konzern nicht auf’s beste bestellt. Davon ist auszugehen, wenn man von Schweigekartellen hört. Widerspruch wurde nicht geduldet. Dabei sind gerade Verantwortungskulturen für den langfristigen Erfolg von Unternehmen mit entscheidend, die Mitarbeiter und vor allem die Führungskräfte sollen sich als Unternehmer im Unternehmen verstehen, auf Mängel soll frühzeitig hingewiesen werden.

Es stellte kam wohl zu Gruppendenken und pluralistischer Ignoranz:

Gruppen geben sich eigene Wahrheiten, kritische Meinungen werden unterdrückt. Niemand wollte das Haar in der Suppe finden und auf die technischen Defizite hinweisen. Dadurch, dass so lange niemand auf die Manipulation kam, dachten sich viele ‚so schlimm wird das wohl auch nicht sein‘. Die Verantwortung wurde beim jeweils anderen – bei den Vorgesetzten gesucht, die ja auch diese Ziele ausgaben. All diese Komponenten verstärkten sich wohl gegenseitig, so dass eine Aufdeckung des Skandals ‚von innen‘ kaum mehr möglich war.

Disruptive Veränderungen:

Gerade in Zeiten disruptiver Veränderungen, in denen neue Technologien quasi über Nacht das alt hergebrachte in Frage stellen, geht es mehr denn darum Trends möglichst schnell im wahrsten Sinne des Wortes ‚auf die Straße‘ zu bringen. Es geht auch im Automobilbereich darum die Digitalisierung umzusetzen, ihre Chancen auch als ‚alte Industrie‘ zu erkennen und zu nutzen.

Kontrollillusion:

Die VW-Führung glaubte, dass ihre Ziele schlicht als Zahlen vorzugeben seien, alles andere sei von den untergeordneten Ebenen einfach zu erledigen. Eine gute Zielfindung erfolgt jedoch immer sowohl von oben vorgegeben als auch von unten auf die Erreichbarkeit geprüft. Sind Abgaswerte nicht erreichbar, dann muss man dies auf die politische Ebene rückspiegeln. Das Problem ist jedoch keinesfalls dadurch gelöst, durch eine manipulierende Software die Werte, im Fall der Kontrolle zu reduzieren.

Verantwortung:

Natürlich ist die Frage, wer die Verantwortung für dieses Versagen trägt. Sind es die verantwortlichen Ingenieure, ist es die Führungsriege – ist es die fehlende interne Kontrolle. Klar muss dabei sein, dass die Führung nicht funktionierte. Es ist unwahrscheinlich, dass niemand aus der Führungsriege des Konzerns über die Manipulationen Bescheid wusste. Natürlich ist die Hauptverantwortung auch hier zu suchen. Eine Bezahlung des Vorstandes anhand kurzfristiger Konzernergebnisse gibt hier falsche Anreize. Die langfristigen Schäden durch die Manipulationen wurden bei der Berechnung des Vorstandsgehalts natürlich nicht berücksichtigt.

Welche Lehren gilt es zu ziehen:

Es gilt mehr Langfristigkeit auch bei den Vergütungssystemen umzusetzen. Quartalsdenken schafft häufig falsche Anreize auch aus Sicht der langfristigen Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen. Dabei hätte gerade hier VW gute Voraussetzungen durch einen Stabilitätsanker der staatlichen Beteiligung.

Dramatisch ist schon jetzt, dass im Rahmen des Sparprogrammes auch bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung gespart wird. Es gilt bei den Sparmaßnahmen zu erklären, warum und weshalb in welchen Bereichen Einschnitte notwendig sind.

Auch das System VW muss verändert werden. Es gilt eine andere Unternehmenskultur zu schaffen, bei der Kritik erwünscht ist. Bei der es um das Finden von Lösungen und nicht um das verdecken von Defiziten geht.

Ich glaube Volkswagen hat die Möglichkeit aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen, die Aufarbeitung wird jedoch lange dauern. Es wird Höhen und Tiefen gehen, diejenigen, die die Krise nicht verschuldet haben, werden auch dazu beitragen und beitragen müssen, den Konzern wieder auf die Spur zu bringen. Dazu bedarf es jedoch zunächst einer verantwortlichen Führung, die jetzt die richtigen Maßnahmen setzt und diese entsprechend an die Mitarbeiter kommuniziert, gemeinsame Ziele definiert und diese auch gemeinsam erreicht.