Flüchtlingspolitik besser kommunizieren
Nach der verlorenen Wahl in Mecklenburg-Vorpommern plädiert der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag dafür, jetzt die richtigen Rückschlüsse für die Flüchtlingspolitik ziehen, statt die Schuldfrage zu stellen.
Herr Mayer, die Merkel-Kritiker vor allem in Ihrer Partei, die haben ja gerade durchaus Oberwasser. Das kann man, glaube ich, so sagen. Reibt man sich bei der CSU gerade die Hände, weil die Chance gekommen zu sein scheint, die Kanzlerin tatsächlich loszuwerden?
Mayer: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Es sind alle sehr, sehr besorgt über die aktuelle Situation und es kann hier keiner in Schadenfreude verfallen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen jetzt gemeinsam, CDU und CSU versuchen, schnellstmöglich wieder in die Vorhand zu kommen. Wir haben gemeinsam jetzt eine schwere Wahlniederlage erlitten in Mecklenburg-Vorpommern und jetzt müssen die richtigen Rückschlüsse daraus gezogen werden und es darf jetzt kein einfaches "weiter so" geben. Diese Wahlschlappe vom vergangenen Sonntag muss ein Weckruf sein für die gesamte Union. Wir haben noch ein Jahr bis zur Bundestagswahl im September 2017 und es ist deshalb höchste Zeit, jetzt wirklich die Anstrengungen zu intensivieren, deutlicher und besser zu kommunizieren, was wir schon gemacht haben. Wir waren ja nicht untätig in den letzten Monaten. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben mit weit reichender Gesetzgebung.
Herr Mayer, vielleicht kommen wir gleich auf die konkreten Punkte noch mal zu sprechen. Vorher würde ich gerne noch mal fragen. Sie haben gesagt, die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern, die haben Sie gemeinsam verloren. Wieviel Schuld suchen Sie dann tatsächlich auch bei sich, bei der CSU? Die hat ja schließlich auch sehr viele Ängste geschürt in den vergangenen Wochen.
Mayer: Ich bin genau gegenteiliger Auffassung. Ich glaube, wenn man so täte, als gäbe es Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung nicht, dann schüttet man genau Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten der AfD. Man löst das Problem nicht dadurch, dass man nicht darüber spricht. Ich glaube, jetzt hier der CSU zu versuchen, die Schuld zuzuschieben, wäre der absolut falsche Weg. Genauso wenig bin ich der Auffassung, dass die Kanzlerin hier allein schuldig ist an dem Ausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Ich glaube, es macht jetzt auch keinen Sinn, hier die Schuldfrage zu suchen, sondern es geht in erster Linie darum, jetzt die richtigen Rückschlüsse daraus zu ziehen. Und eines muss doch klar sein: So wie wir bisher kommuniziert haben und wie auch die Bundesregierung versucht hat, ihre Flüchtlingspolitik der Bevölkerung zu vermitteln, hat dies nicht gefruchtet und kann dies auch entsprechend nicht weitergehen. Deswegen muss aus meiner Sicht vor allem die Tonalität im Umgang mit der Flüchtlingskrise deutlich verändert werden.
Das heißt konkret was? Wie soll man mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen?
Mayer: Man muss zum einen mal der Bevölkerung authentisch deutlich machen, dass man die Ängste und Befürchtungen ernst nimmt, dass es durchaus auch Probleme gibt im Zuge der massenhaften Zuwanderung von Hunderttausenden von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Ich glaube, so zu tun, als gäbe es diese Probleme nicht, sei es auf dem Arbeitsmarkt, im Bereich der Integration, des Bildungssektors, würde genau auch wiederum das Gegenteil dessen erreichen, was wir eigentlich erreichen wollen, nämlich den sozialen und gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Monaten aus meiner Sicht sehr bedenklich ins Negative entwickelt, indem die Ränder gestärkt wurden, indem es eine zunehmende Polarisierung auch unserer Gesellschaft gibt. Und das Ziel der CDU/CSU muss es gemeinsam sein, jetzt die gesellschaftliche Mitte wieder zu stärken, und da geht es natürlich auch darum, deutlich zu machen, dass die Aufnahmekapazitäten Deutschlands nicht unendlich sind.
Herr Mayer, das klingt jetzt durchaus sachlich, was Sie da vorbringen. Aber wie passt in all das dann so eine Forderung nach einer Obergrenze, wie sie ja von Parteikollegen von Ihnen kommt?
Mayer: Die Forderung einer Obergrenze hat nicht nur symbolhafte Wirkung, sondern sie hat schon auch ein klares Signal, das von ihr ausgeht. Wenn wir eine Obergrenze fordern, dann bringen wir damit deutlich zum Ausdruck, dass die Integrationskraft unseres Landes nicht unendlich ist.
Aber erstens kommen gar nicht mehr so viele Flüchtlinge nach Deutschlands und zweitens ist eine Obergrenze rechtlich auch gar nicht durchsetzbar. Also ist so eine Forderung doch eigentlich Populismus?
Mayer: Nein, das hat mit Populismus nichts zu tun. Ich bin auch der Meinung, dass eine Obergrenze durchaus, was zum Beispiel die Flüchtlingszahlen anbelangt, rechtlich möglich ist. Es gibt keinen Anspruch in der Genfer Flüchtlingskonvention, ausgerechnet in Deutschland Schutz zu suchen. Man kann die Anzahl der Asylbewerber nicht kontingentieren, aber die Anzahl der Flüchtlinge kann man sehr wohl festschreiben, vor allem dann auch im europäischen Verbund. Und natürlich geht von der Forderung nach einer derartigen Obergrenze auch die klare Erwartungshaltung gegenüber den anderen EU-Ländern aus, sich auch entsprechend daran mit zu beteiligen, an dieser solidarischen Bewältigung dieser epochalen Herausforderung. Es kann nicht sein, dass Deutschland hier allein mit ein, zwei weiteren Ländern wie Österreich und Schweden diese Krise meistern und andere Länder sich nach wie vor vornehm ins Gebüsch stehlen und uns hier ziemlich allein lassen bei der Bewältigung dieser Krise. Natürlich hat die Forderung nach einer Obergrenze auch die klare Erwartungshaltung gegenüber der EU und vor allem gegenüber osteuropäischen EU-Ländern, aber auch gegenüber Ländern wie Großbritannien, sich hier endlich stärker auch mit zu beteiligen bei der Bewältigung der Krise.
Herr Mayer, bei all dem, was Sie da jetzt sagen, wo möchten Sie mit der CSU strategisch hin? Lieber rechts von der AfD positionieren?
Mayer: Es geht jetzt nicht darum, dass sich die CSU rechts oder wo auch immer von der AfD positioniert. Ich sage auch ganz offen: Die AfD ist natürlich eine Herausforderung, sowohl für die CDU als auch für die CSU. Aber wir sollten uns aus meiner Sicht auch als Union strategisch gar nicht so viel jetzt mit der Partei AfD aufhalten und auseinandersetzen. Ich bin auch der Meinung, dass der Großteil der AfD-Wähler die Partei nicht wählt, weil sie ihr Lösungskompetenz beimessen oder weil sie die Erwartungshaltung haben, dass die AfD alsbald in Regierungsverantwortung kommt, sondern die meisten AfD-Wähler wollen mit ihrer Wahl Protest zum Ausdruck bringen. Deswegen geht es aus meiner Sicht jetzt darum, die nächsten Wochen und Monate intensiv dafür zu nutzen, diese verloren gegangenen Wähler wieder zurückzugewinnen zur CDU/CSU, auch verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen …
Indem man den flüchtlingspolitischen Kurs der AfD kopiert?
Mayer: Nein, beileibe nicht. Wir kopieren keine AfD. Wir haben unseren eigenen Kurs. Und ich möchte auch noch mal betonen: Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung von heute ist ja eine ganz andere als vor einem Jahr. So zu tun, als hätte sich in den letzten Monaten nichts geändert, wäre ja auch eine Verkennung der Tatsachen und der Realität. Wir haben heute eine wesentlich restriktivere Flüchtlingspolitik als noch im September 2015. Nur - und das zeigt bedauerlicherweise das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag - der Großteil der Bevölkerung hat dies noch nicht registriert. Und um dies auch klar zu sagen: Das ist kein Vorwurf gegenüber der Bevölkerung, gegenüber den Bürgern, sondern das ist ein Vorwurf gegenüber uns selbst. Wir müssen, wie ich schon gesagt habe, noch intensiver, besser und verständlicher kommunizieren, was wir schon gemacht haben und wo wir auch hin wollen.
Herr Mayer, was passiert, wenn die Kanzlerin oder wenn auch die CDU nicht auf die Wünsche der CSU eingeht und doch weiterhin bei diesem flüchtlingspolitischen Kurs bleibt? Wie reagiert die CSU dann?
Mayer: Das sind jetzt wieder so Fragen, die erst dann gestellt werden müssen, wenn man wirklich soweit ist, dass man zu dem Ergebnis kommt, man hat keine oder keine ausreichend große Schnittmenge. Ich möchte lieber den anderen Weg vollziehen. Ich bin der Meinung, man sollte jetzt die nächsten Wochen dazu nutzen, zwischen CDU und CSU zu eruieren, wie groß die gemeinsame Schnittmenge ist, auch in der Flüchtlingspolitik, aber es geht nicht nur um die Flüchtlingspolitik. Uns beschäftigen auch viele andere Themen: innere Sicherheit, die Steuerpolitik. Es geht auch darum, mal zu eruieren, ob es nicht möglich ist, zum Beispiel den Soli sukzessive abzubauen, ob wir nicht auch gerade in einer Zeit, in der die Wirtschaft in Deutschland läuft wie kaum zuvor, in der die Steuerquellen sprudeln, auch den Bürgern, den Leistungsträgern wieder etwas zurückzugeben, indem die Steuern reduziert werden. Es gibt viele politische Felder, bei denen wir uns jetzt zwischen CDU und CSU verständigen müssen, wie groß die gemeinsame Schnittmenge ist, ob es eine ausreichend große stabile Geschäftsgrundlage gibt für die weitere Zusammenarbeit. Ich bin der Meinung, das ist der Fall.
Herr Mayer, für die Wählerinnen und Wähler ist es ja durchaus interessant, was passiert, wenn Sie diese Schnittmenge nicht finden?
Mayer: Ja, das ist mir klar, dass Journalisten gerne diese Frage stellen, weil sie natürlich auch verknüpft ist mit Personalfragen. Aber ich bin genau gegenteiliger Auffassung. Ich glaube, gerade in einer derart angespannten Situation - und Deutschland ist in nicht einfachem Fahrwasser; unsere Gesellschaft ist in nicht einfachem Fahrwasser - ist es umso wichtiger, dass wir uns zunächst intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen, bevor dann Fragen erörtert werden, was ist, wenn es keine Gemeinsamkeit gibt, oder wenn die CDU und die CSU hier nicht zueinander kommen. Ich bin guter Hoffnung, dass es gelingt, am Ende eine sehr große gemeinsame Schnittmenge zu haben, nicht nur im Bereich der inneren Sicherheit und im Bereich der Steuerpolitik, sondern auch im Bereich der Flüchtlingspolitik. Und dann werden wir, CDU und CSU, auch wieder gemeinsam im Bundestagswahlkampf 2017 marschieren und hoffentlich auch wieder verloren gegangenes Vertrauen bei den Wählern zurückgewinnen.